Im Nachhinein mag ich mir kaum vorstellen, was für schöne Erlebnisse und Eindrücke uns verborgen geblieben wären, hätte wir unsere Reise nicht angetreten. Das haben wir nämlich durchaus in Erwägung gezogen, nach dem ich zum geplanten Start so flach gelegen habe, wie schon lange nicht mehr.

1.400 km sind ja kein Pappenstil, vor allem nicht mit zwei kleinen Kindern. Aber das kleine Volk hat sich mustergültig durch vier europäische Länder kutschieren lassen, um dann in dauerhafter Akustikbegleitung von Ritter Rost, Die drei ???, Bibi Blocksberg und den Liedern aus der Sendung mit der Maus (um nur ein paar zu nennen) auf die Insel überzusetzen und schließlich an der Nordwestküste von Cornwall zu landen, wo wir uns in „The Red Buoy“ (die rote Boje) eingemietet hatten. Dass dieses Haus oder Apartment Teil eines ganz besonderen Ortes sein würde, hatten wir nicht geahnt, als wir die schönen Bilder im Internet gesehen hatten. „Romatic Beach House“, gelegen direkt an einer Bucht klang einfach ziemlich viel versprechend und das war es auch.

In Wirklichkeit war dieses alte viktorianische Haus, an dessen Rückseite unser 35-qm-Domizil „The Red Buoy“ angebaut wurde, ein Gesamtkunstwerk. Ein Sammelsurium von kuriosen Dingen, ein Freiluftmuseum für Treibgut, Strandschätze und Dinge, die durch die Ozeane um die halbe Welt gereist sind, um dann an einem der Strände von Nord-Corwall eines Tages ausgespuckt und gefunden wurden. In dem verwinkelten Garten, der auf verschiedenen Ebenen, Treppen und Nischen rund um das Haus zwischen Cliff, Düne und Bucht angelegt war, konnte man immer wieder neues entdecken.
Seinen Namen hatte „The Red Buoy“ von einer riesigen roten Boje in der Mitte des Gartens. Diese Boje – irgendwann vom Ozean auf den Strand von Harlyn Bay gespuckt – wurde in Massachusetts gebaut und wird normalerweise zu wissenschaftlichen Messungen in allen Ozeanen der Welt verwendet. Könnte diese Boje sprechen, was würde sie wohl berichten können?

Jane, unsere Vermieterin und ihr Mann Nick, der leider 2005 verstarb, belebten diesen Platz mit den „Schätzen“ des Ozeans: Samen aus der Karibik, Fischereigeschirr aus Neufundland, tropischen Hölzern, Bojen aus Labrador. Hätten wir nicht den Film „The Wrecking Season“ gesehen, den sie mit ihrem Mann 2005 drehte, hätten wir vieles nicht verstanden und die Magie dieses Ortes wäre uns verschlossen geblieben. Möglicherweise hätte ich einfach nur weiterhin das maritime Kabinen-Ambiente unserer kleinen Wohnung mit den schönen Bildern von Jane (sie ist Malerin), den weißgestrichenen Holzdielen an den Wänden und auf den Böden, die vielen verliebten Details aus gestrandeten Hölzern, Steinen oder Muscheln und die Lage direkt hinter der Düne bewundert und mein lieber Mann hätte sich weiterhin gefragt, wie sich in aller Welt ein Mensch mit so viel Müll umgeben kann.

Zugegeben, der erste Eindruck war ungewöhnlich, aber mich hat er sofort gefangen genommen. Für die Kinder war es eine nicht enden wollende Entdeckungsreise und mein kleiner Glücksritter hat zwischen den Booten und Bojen gleich die Sammlung an Body-Boards und Surfboards entdeckt, die da noch von Janes schon erwachsenen Kindern standen. Und er durfte sie alle ausprobieren.

Alleine in der winzigen Küche habe ich mich immer wieder um mich selbst gedreht, um die Konstruktionen aus angespülten Hölzern zu bewundern. Ein großer, alter Rettungsring an der Tür, große Landkarten über Meeresströmungen und Untiefen an den Wänden, ein farbiges Glasfenster, große alte Spiegel haben einem das Gefühl vermittelt, man würde in einem Kapitänshaus wohnen und in einer Koje schlafen.

„The Red Buoy“ liegt in der Bucht von Porthcothan und scheint eines der ersten Häuser dort gewesen zu sein. Im Norden und Süden der Bucht schließen sich die typischen Klippen an, die steil in das türkisblaue Meer abfallen und obendrauf grasgrün leuchten. Auf einem Küstenwanderweg kann man die atemberaubend schöne Natur erkunden, Vögel beobachten und von einer Buch in die nächste wandern.
Dieser Platz mag sehr ungewöhlich klingen und das war er auch. Aber ich habe selten an einem Ort Urlaub gemacht, der so viel Seele hatte und war einfach nicht zu vergleichen mit anderen Ferienhäusern – egal wo auf der Welt. Cornwall ist genauso einzigartig wie uns alle schon dort gewesenen erzählt haben. Wild und sanft, romantisch und abweisend, voller Gegesätze und Mysterien. Künstler und Intellektuelle treffen auf Adlige und Aussteiger, dicke bleiche Touristen aalen sich in der Sonne, Wellenreiter suchen die perfekte Welle, Gehetzte suchen die Ruhe, Gelangweilte das Abenteuer.

Nachdem mein Computer gleich nach unserer Ankunft 200 meiner Urlaubsbilder gefressen hat, muss ich dieser kleinen Katastrophe erst mal beikommen (Rettung naht!) und deshalb gibt es den Reisebericht häppchenweise. Soviel lesen und anschauen auf einmal kann ja eh kein Mensch, oder...?