Weil Hamburg so unglaublich viele tolle Ausstellungen und Museen zu bieten hat und ich die meisten davon verpasse, bzw. nicht kenne, habe ich vor einer Weile beschlossen, mir jeden Monat einen (halben) Tag für Kultur zu reservieren. Leider hat es ein paar Monate gedauert, bis ich mal in die Pötte kam, aber gestern habe ich meinen ersten offiziellen Kulturtag veranstaltet. Jawohl!
Die Idee, in eine IKEA-Ausstellung zu gehen, hatte nicht ich sondern meine Freundin, aber die Idee war großartig! Im Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) werden neben IKEA Möbeln aus sechs Jahrzehnten auch andere Design-Klassiker gezeigt, die für die breite Masse und eine industrielle Fertigung entworfen wurden. Design und Funktionalität für schmales Geld. Zu sehen sind unter anderem Möbel von Thonet, ein uralter Reklam-Heft-Automat, eine Franfurter Küche, Tupper-Schüsseln, eine Bialetti-Espressokanne, ein Bobbycar. Wussten Sie, dass dieses Plastikgefährt bei westdeutschen Eltern einen Bekanntheitsgrad von 98(!)% hat? Es gibt einen sehr interessanten Einführungsfilm über Massenproduktion und Qualität, Wohngewohnheiten und Werbung, typisch schwedisches Design und Globalität.
Die Ausstellungsräume haben diesen typischen IKEA-Geruch, den ich nicht mal beschreiben könnte (Hartfaserplatten?), aber als wir den ersten Ausstellungsraum betreten haben, musste ich meine Freundin direkt fragen Riechst du das?. Neben einem typischen Hochregallager werden IKEA-Anzeigen aus der ganzen Welt gezeigt. Für einen Werbefuzzi wie mich ein besonderes Schmankerl. Mein Favorit: die 60-Jahre Hausfassaden mit dem Claim „The beauty lies within“.
Ein echtes Highlight sind auch zwei Wohnzimmer, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Das eine wird (regelmäßig aktualisiert) von einer großen Hamburger Werbeagentur eingerichtet und zwar nach statistischen Mittelwerten. So ist das Wohnzimmer mit einem blauen Teppichboden, einer Bucheschrankwand (mit Virtrinentür!), hellgelber Eckgarnitur und Couchtisch im Matrialmix (Buchenholz-Beine, Metallaufsatz und Glasplatte) genau so, wie sich die meisten Deutschen einrichten. Zudem liegt auf dem Couchtisch eine aufgeschlagene Fernsehzeitschrift, die Fernbedienung und daneben steht eine Vase mit gelben Rosen – auch das: statistischer Mittelwert. An der Wand hängen Familienfotos.
Das Zimmer gegenüber ist eingerichtet mit den am meisten gekauften Produkten von IKEA. LACK, KLIPPAN, BILLY & Co. feiern ein buntes Miteinander.
Die Sonderschau NON IKEA zeigt Arbeiten von internationalen Künstlern: sie greifen Konzepte, Produkte oder Materialien von IKEA auf und interpretieren diese neu. Wie dieser Schädel aus Verpackungen und Maßbändern oder der halbierte LACK Tisch mit dem fest installierten Schatten aus Blech.
Mein Fazit: hingehen! Egal, ob man ein IKEA-Fan ist oder nicht – IKEA hat eine ganze Generation geprägt und bedeutet viel mehr als nur gutes Design und Funktonalität zu einem günstigen Preis. Es ist ein Lebensgefühl. Unbedingt empfehle ich das kostenlos Ausleihen eines Audioguides und den Einführungsfilm. Auch lesenswert: der Blog zur Ausstellung FENOMEN IKEA.
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Und weil ich mir gestern das ganze Verwöhnprogramm gönnen wollte in Punkto Kultur, habe ich mich abends noch ins kleine Schwarze geworfen und bin auf hohen Hacken (das hat Seltenheitswert!), den Liebsten an der Hand, in die Deichtorhallen geeilt. Dort wurde gestern eine wunder-wunder-wunderschöne Fotoausstellung des Fotografenehepaars Lillian Bassman und Paul Himmel eröffnet. Die beiden waren über 70 Jahre ein Paar und obwohl sie sehr unterschiedlich gearbeitet haben, konnte man deutlich sehen, wie sehr sie sich gegenseitig ergänzt und beeinflusst haben. Leider konnte Paul Himmel die Ausstellung nicht mehr miterleben, er verstarb dieses Jahr. Seine sympathische und quicklebendige Frau (92) reiste aber extra hierfür mit ihrer Familie über den Großen Teich. Die meisten gezeigten Werke sind in den Nachkriegsjahren entstanden und zeigen neben grandios in Szene gesetzter Pariser Haute Couture auch das gegensätzliche Leben der einfachen Leute in Paris, Italien, Jugoslavien. Aber dies ist nur eine Facette dieser wunderschönen, leisen und sehr gefühlvollen Ausstellung.
Ein bisschen Prominenz gibt's in Hamburg ja immer und so stand eine bekannte Kiezgröße gefühlte Stunden vor der Biografie der Künstler – vermutlich war ihm seine dunkle Sonnenbrille nicht gerade hilfreich beim flüssigen Lesen. Hanseatisch-klassisch saß mir dann beim gemeinschaftlichen Futtern im Zweireiher mit Goldknöpfen und Einstecktuch F.C. Gundlach gegenüber und parlierte darüber, wie sehr ihn die Interviews am Nachmittag ermüdeten.
Heute bin ich wieder froh ein Landei zu sein, fahre gleich mal ins Dorf und kaufe noch ein paar Kleinigkeiten für das gemütliche Advents-Zuhause ein. Bis zum nächsten Kulturtag kann ich Ihnen nun wärmsten einen Besuch im Museum Ihres Vertrauens empfehlen. Tapetenwechsel lohnt sich!
Liebe Susanne,
AntwortenLöschenvielen Dank für den Tip mit der Deichtorhalle, sobald Zeit ist werd ich mal wieder dem Novembergrau in die Welt der Fotografie entfliehen! *Freu*
Liebe Grüße,
Lena
ha, super, genau mein ding. bin morgen wahrscheinlich eh mal wieder in hh. mal sehen, ob es zeitlich drin ist. ansonsten aber beim nächsten mal.
AntwortenLöschenbiste auch morgen in der gr. bergstr.? ;o)
liebe grüße vom land
ulli
Vielen Dank für diese "kulturellen Minuten", einen so regelmäßigen Kulturtag hatten wir uns auch mal vorgenommen, aber... *ähem* Schade dass HH nicht direkt um die Ecke ist, denn - auch wenn der Liebste nun grölen würde - die IKEA-Ausstellung würde ich mir auch gerne gönnen. Toll erzählt und beschrieben, falls als wäre man dabei gewesen. ;) Danke und ein schönes Wochenende auf dem Lande wünscht Frau Maus
AntwortenLöschenDas hört sich ja ziemlich phänomenal an. Wenn es die Hamburger Liebe mal wieder nach Wiesbaden verschlägt, biete ich gerne einen Wohnungtausch :)
AntwortenLöschenMerk ich mir.
AntwortenLöschenVon dem Durchschnittswohnzimmer habe ich schon gehört.
Erstaunlich (erschreckend?) fand ich die geringe Anzahl von Büchern im Durchschnittswohnzimmer. Die genaue Anzahl weiß ich nicht mehr, aber es waren sehr wenig.
(Oder stehen die doch alle in einem anderen Zimmer?)
ein schöner bericht! den ausstellungstitel "fenomen" (ikea) habe ich auf den ersten blick für einen möbel-namen gehalten :)
AntwortenLöschen@ Fijn: Keine schlechte Idee, wir sind da manchmal :-)!
AntwortenLöschen@ Frische Brise: Ja, Bücher waren da sehr wenige. Dafür ein unglaublich hässlicher CD-Ständer ;-)!
@ Rose: FENOMEN ist der Name der Altarkerzen bei IKEA. Du warst also dicht dran ;-)!
oh mein gott! dann habe ich tatsächlich zwei kunstwerke im schlafzimmer stehn... ich war nämlich auch so kreativ und habe den uralt erstewohnungskauf LACK tisch in buche [ca 100jahre her] durchgesegt und zu nachtischen umfunktioniert! wow frau wahn
AntwortenLöschensorry grad für die selbstdarstellung...
nur schade dass hamburg so weit weg ist... oh man! ahoj von der saar
iza
ganz wunderbar, danke fuer den kleinen rundgang und vorweihnachtliche gruesse aus der ferne,
AntwortenLöschenzill.y