Spontan-Ausflüge sind ja bekanntlich die besten, sagt man. Solche ans Meer sogar die allerbesten. Finde ich. Und als ich da am vergangenen Wochenende am Meer saß, die Füße in den warmen, schwarzen Schlick des Niedersächsischen Wattenmeers vergrub, dem leisen Blubbern und Knistern des Watts lauschte, kam mir wieder einmal eine Meer-Erkenntnis, derer ich am Meer schon einige hatte. Solche waren zum Beispiel die wunderbare Weite, der ferne Horizont, der den Gedanken soviel Raum lässt und einen ein Stück Unendlichkeit spüren lässt. Oder die Kleinheit des Menschen, der vor dem gewaltigen Meer und seinen Urgewalten plötzlich so gar nicht mehr allmächtig erscheint und ich nach jedem Besuch am Meer sehr geerdet in den Alltag zurück kehre. Diesmal war es die Verlässlichkeit in einer Welt, in der alles so Unsicher wie nie erscheint. Die Verlässlichkeit von Ebbe und Flut. Das Meer kommt und das Meer geht. Und der Mensch kann sich nicht nur fügen, sondern er kann sich darauf verlassen.
Von Cuxhaven aus gelangt man zu Fuß auf die Insel Neuwerk, den am weitesten außerhalb gelegenen Hamburger Stadtteil in der Elbmündung. Aber man kommt dorthin nur bei Ebbe in einem ganz bestimmten Zeitfenster. In dieser Zeit gibt das Meer den Weg frei auf eine schier endlos scheinende Fläche Matsch. Bei genauem Hinsehen entpuppt sich diese Fläche voller Leben, überall bubbert und knistert es – wenn man nur genau hinhört.
So haben wir zwei herrliche Tage verbracht mit lieben Freunden, die uns sozusagen zu sich in den Urlaub eingeladen haben. Schon die Hinfahrt war wunderschön, mit der Fähre über die Elbe, dann durch die wunderschöne Landschaft der südlichen Elbe.
Erstaunlich warme Nordsee, glückliche Kinder, reges Gewimmel im Wasser und am Strand.
Vorbeiziehende Karavane der Wattwagen, die jeden Tag eine Vielzahl an Touristen nach Neuwerk bringt. Alle die, die sich lieber auf hochgebockten Wagen durch den Schlick ziehen lassen, denn der Weg nach Neuwerk, der wegen dem Priel einen großen Bogen machen muss, ist weit.
Allerlei Getier findet man im Watt, tot oder lebendig. Hier eher schon weniger lebendig.
Hier noch quietschvergnügt und jederzeit bereit, seitwärts das Weite zu suchen.
Wer braucht schon Fangopackungen oder Moorbäder? Feinster sonnengewärmter Matsch für leidenschaftliche, kleine Schlickrutscher – herrlich. Stellen Sie sich Fräulein Schlau einfach schwarz vor, von oben bis unten. Ganz ihr Element.
Auf den ersten Blick sehen die kleinen Häufchen, die der Wattwurm hinterlässt, wie kleine Würmer aus. Dabei frisst sich der Wattwurm nur durch den Schlick und pupst das, was er vorne reingefressen hat, im Inneren gefiltert, hinten wieder raus. Sandreinigungsanlagen sozusagen. Ich kann mich als Kind noch gut an eine Wattführung erinnern, bei der der Wattführer meinte, er wisse immer genau, wo sich die Wattwürmer im Boden befänden. Da sie nicht an die Oberfläche kommen, hatte er das mit telepatischen Fähigkeiten begründet. Erst Jahre später bin ich hinter den Trick gekommen. Man muss nur eine Weile den Boden beobachten, erspähen, wo gerade so ein Häufchen Sandwürmer entsteht und dann schnell den Spaten ansetzen. Taraaa!
In Duhnen fand an diesem Wochenende auch noch ein ganz besonderes Spektakel statt: Das Wattrennen. Auf einem im Watt abgesteckten Pacours finden während der Ebbe Trab- und Galopprennen statt. Man hat seinen Feldstecher im Gepäck und wer was auf sich hält achtet auch auf die passende Garderobe, wenn er zu Klein-Ascot geht.
Wer keinen Sitzplatz am Strand mehr bekommt, nimmt sich einfach einen Tisch auf dem Balkon des Insel Cafés, mit Sahnetorte und Blick über den Deich direkt auf's Geschehen. Draussen nur Kännchen – versteht sich.
Ein bisschen Entertainment am blankgeputzten Firmament von der Marinefliegerstaffel. Wer's mag...
Herrlich, so ein Wochenende. Wie Urlaub. Glücklich sonnenbetankt, erholt und voller Eindrücke kehren wir in den Alltag zurück.
Edit: Neuwerk ist auch eine Reise wert – wer einen kleinen Bericht lesen mag, hier geht's lang.