1. April 2009

Agrarpädagogik

Stadtkindern sagt man ja oft berechtigter Weise einen fehlenden Bezug zur Natur und zum Landleben nach. Zwar gibt man sich als pädagogisch engagierte Eltern redlich Mühe, diese Wissens- und Erfahrungslücken schon früh mit geeigneter Literatur zu schließen und dem Nachwuchs zu erklären, dass Kühe „in echt“ nicht lila sind, die Milch nicht im Tetrapak entsteht und die Eier nicht der Osterhase bringt. Wie erklärt man aber dem kleinen Stadtkind, dass neugeborene Kälbchen keineswegs schon „Muuuh” machen sondern „Bäääh“, Schweinemist und Kuhfladen sehr unterschiedlich riechen  und Schafe nicht nur weiß sein müssen?

Für Großstadtkinder ist dieses Wissen fast schon Luxus, denn „Mein großes Bauernhofbuch” beschreibt zwar in bunten Bildern die ländliche Idylle zwischen niedlichen Ferkeln und breit grinsenden Sonneblumen aber die Erfahrung, über einen echten Bauernhof zu laufen, in Misthaufen zu treten und sich beim Ferkel beobachten die Nase zuhalten zu müssen, ersetzt es natürlich nicht.

Vor ein paar Jahren besuchten wir mal Freunde in Den Haag, die uns voller Stolz zu einer Stadtfarm brachten, wo Kindern Landleben „erleben“ sollten. Neben einem sehr gepflegtem Spielplatz mit Schaukeln auf Rindenmulch, einem gepflastertem Fußballfeld und Klettermöglichkeiten gab es... ach ja, auch noch eine finster drein blickende Kuh, ein gelangweiltes Schwein und eine Horde von Meerschweinchen in einem stickigen Stall nebst viele Tafeln mit Theorie über den Bauer an sich, das Bäuerliche im allgemeinen und das Fress- und Fortpflanzungsverhalten von Meerschweinchen im Speziellen. So zumindest in meiner Erinnerung. Und danach haben wir erzählt, wir waren auf dem Bauernhof.

Jetzt haben wir es besser. Wir wohnen immer noch in der Stadt, wenn auch am Rand. Unsere Kinder lesen immer noch mit Begeisterung „Mein großes Bauernhofbuch“ und artverwandte Literatur. Aber wenn wir Lust auf Landleben verspüren, setzen wir uns auf's Fahrrad (im Sommer) oder ins Auto, fahren raus aus der Stadt und besuchen den nahegelegenen Demeter-Hof vor den Toren der Großstadt.

Der schmiegt sich in weitläufige, sanfte, grüne Hügel und Weiden, zwischen kleinen Teichen und dem nahe gelegenen Wald. Dort wälzen sich glückliche, schwarzweiße Riesenschweine und rosa Ferkel in reichlich Morast, Heidschnucken knabbern das erste Frühlingsgras, Gänsescharen rennen schnatternd über die Weide und kleine Kälbchen blöken einem ein zartes „Bäääh!“ entgegen.  Dort werden auch die Traktoren und anderen Landmaschinen (die man als Jungsmutter natürlich im Schlaf aufsagen kann) im Werkzeugschuppen repariert, große Reifen gewechselt und die großen Jungs dort mit den Latzhosen und Norwegerpullis lassen sich auch von pentranten Kinderfragen (Wo fährst du jetzt hin? Was machst du da? Warum machst du deine Traktortür nicht zu?...) aus der Ruhe bringen. Während die Kinder dort in der ökologisch einwandfreien Sandkiste buddeln und Vollkorndinkelbrötchen kauen, trinkt die Mutter gelassen einen Fairtrade-Organic-Soja-Latte-Macchiato, vernascht einen Hirse-Schoko-Keks aus dem Hofladen und vergisst für entspannte zwei Stunden Finanzkrise und padagogisches Engagement.

Nicht mal die zwei zusätzlichen Kinder haben mich heute aus der Ruhe gebracht und ich habe routiniert Matschhosen, Reiswaffeln und Pflaster verteilt. Gepriesen seist du, Suburbia!

3 Kommentare:

  1. Kaum konnte mein Sohn damals sprechen-so hatte er aber schon das tolle Wort "Kartoffelvollernter " drauf...
    Traktoren in aller Form gehören gehören wohl zur psychologischen Buben Entwicklung....wir wohnen ja hier im badischen...da kann es gut sein, dass morgens plötzlich eine riesige Schafherde auf der Wiese weilt...
    Liebe Grüße, Claudi

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  2. Als zweifache Jungsmutter muss mann nicht nur die verschiedenen landwirtschaftlichen Maschinen kennen... NEIN, du musst auch noch die unterschiedlichen Hersteller ( Fendt, Claas...) auf den ersten Blick benennen können, sonst droht *kopfschüttel* und *Ach, Mama!!!*

    LG Kathrin

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  3. :) Na, wie gut, daß ich hier auch Landluft habe ;)

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